Meine persönlichen Erfahrungen mit Assistentinnen und Assistenten
Der Einstieg – der Preis von Freiheit
Mein Alltag mit Assistenz – was ihr nicht seht und was es mich wirklich kostet
Assistenz bedeutet nicht nur ein einfacheres Leben und mehr Freiheit – sondern auch tägliche Arbeit, Unsicherheiten und Verantwortung.
Ein ehrlicher Einblick in mein Leben als Rollstuhlfahrer mit Assistenz.
Ich bin ein fleißiger und zielstrebiger Mensch – und als Rollstuhlfahrer bedeutet das für mich, dass ich meinen Alltag möglichst strukturiert und produktiv gestalten möchte.
Ich nutze den Tag, um so viele Erledigungen und Aufgaben wie möglich abzuarbeiten. Ich „chille“ kaum – und nur dann, wenn wirklich alles erledigt ist. Denn mir ist es wichtig, zuerst die To-Dos abzuhaken, bevor ich zur Ruhe komme.
Mein Anspruch – und warum manche damit nicht klarkommen
Diese Herangehensweise spreche ich im Vorstellungsgespräch immer offen an – klar und deutlich. Trotzdem kommt nicht jede Assistentin und nicht jeder Assistent auf Dauer damit zurecht.
Manche fühlen sich überfordert oder ziehen sich zurück – nicht etwa, weil ich etwas Unmögliches verlange, sondern weil mein Tempo und mein Anspruch an Verlässlichkeit für sie zu viel ist.
Dabei ist mein Tempo nicht „schnell, schnell“ – sondern strukturiert und zielgerichtet. Es geht mir nicht darum, Hektik zu verbreiten oder Stress zu machen. Im Gegenteil: Ich möchte meine Aufgaben in Ruhe, aber konsequent und durchdacht erledigen – Schritt für Schritt, aber mit Klarheit und Fokus.
Mir geht es nicht um Perfektion oder Druck – sondern um Selbstwirksamkeit. Ich will mein Leben aktiv gestalten. Nicht im Leerlauf verbringen.
Nur so – und nicht anders – bin ich als Rollstuhlfahrer erfolgreich geworden und habe vieles, was unmöglich schien, möglich gemacht.
Ich suche eine Assistentin oder einen Assistenten, die*der bereit ist, diesen Weg mitzugehen – mit Offenheit, Motivation und Verlässlichkeit.
Was viele Menschen von außen sehen – und was sie nicht sehen
Viele Menschen sehen meine Bilder oder Videos – von Reisen, Veranstaltungen, Cafés oder einfach aus dem Alltag – und denken: „Alter, was für ein schönes und geiles Leben er hat“ – und sind neidisch.
Aber was ihr nicht seht: wie viel Organisation, Unsicherheit, emotionale Belastung und Verantwortung dahinterstecken.
Ich bin Rollstuhlfahrer – und für ein selbstbestimmtes Leben vollständig auf Assistenz angewiesen.
Was Assistenz wirklich bedeutet
Assistenz heißt: Menschen begleiten mich beim Aufstehen, Waschen, Anziehen, Kochen, Arbeiten, unterwegs sein, Erledigungen machen, Reisen. Das ist kein gewöhnlicher Job. Das ist Nähe, Verantwortung, Vertrauen. Es ist eine Lebenspartnerschaft auf Zeit – mit einem entscheidenden Unterschied: Wenn die andere Person aussteigt, stehe ich da. Allein.
In den letzten zwölf Jahren hatte ich sehr viele verschiedene Assistent*innen – etwa 60 bis 80 Menschen.
Wenn es funktioniert – wie echte Unterstützung aussieht
Etwa ein Drittel von ihnen ist geblieben – länger, verbindlicher, mit echter Verantwortung. Sie waren absolut verlässlich, engagiert und menschlich. Mit ihnen hat die Zusammenarbeit nicht nur funktioniert – sie hat getragen.
Ich erinnere mich an Assistent*innen, die sich ohne Berührungsängste auf die Nähe eingelassen haben – die mich morgens mit Ruhe geweckt, mit mir gelacht oder auch einfach mal gemeinsam geschwiegen haben. Die meine Abläufe gelernt und sich so eingefuchst haben, dass ich mich sicher gefühlt habe – nicht wie ein Chef, sondern wie ein Mensch auf Augenhöhe.
Dankbarkeit und echte Verbindung
Einige haben mich durch anstrengende Reisetage begleitet, bei Krankheit mit angepackt, sind spontan eingesprungen, wenn andere ausgefallen sind. Sie haben nicht nur ihre Aufgaben erledigt – sie haben verstanden, was Assistenz wirklich bedeutet. Manche sind sogar über das Arbeitsverhältnis hinaus wichtig geblieben. Wir haben gemeinsam Herausforderungen gemeistert, Vertrauen aufgebaut, Menschlichkeit geteilt – ohne Kitsch, aber mit echter Verbindung. Mit den Menschen, bei denen es gepasst hat, war mein Alltag leichter, planbarer, freier.
Dafür bin ich zutiefst dankbar.
Wenn es nicht funktioniert – Unsicherheit und Brüche
Aber leider war das nicht bei allen so: Zwei Drittel waren komplett anders – die meisten blieben nur kurz. Mal ein paar Wochen, mal ein paar Monate. Kaum ist Vertrauen aufgebaut, ist es oft auch schon wieder vorbei. Und jedes Mal hinterlässt das Spuren – organisatorisch, emotional, menschlich.
Viele sind plötzlich ausgestiegen – ohne Gespräch, ohne Übergabe, mitten im laufenden Alltag. Und jedes Mal bedeutet das für mich: Unsicherheit. Stillstand. Das Gefühl, ersetzt worden zu sein – obwohl es nicht nur um Arbeit, sondern um meine Existenz geht.
Ständige Wechsel – und die Folgen für mich
Ständige Wechsel reißen mich raus. Jede Kündigung heißt: wieder neu erklären, einarbeiten, hoffen, dass es passt.
Das kostet Kraft. Nerven. Zeit – die ich eigentlich in mein Leben investieren möchte. Denn ich bin kein klassischer Arbeitgeber.
Ich bin ein Mensch – mit echten Bedürfnissen, Grenzen und Emotionen.
Was mich besonders trifft: In den meisten Fällen sind Assistent*innen nicht einmal bereit, so lange zu bleiben, bis ein passender Ersatz gefunden ist. Sie kündigen – manchmal von heute auf morgen – ohne Übergabe, ohne Gespräch, mitten im Alltag. Für sie endet ein Job. Für mich beginnt ein Notfall.
Viele sagen: „Du bist doch ständig unterwegs – bei dir läuft doch alles super.“
Aber die Wahrheit ist: Nichts läuft einfach so. Ich kämpfe täglich darum, dass überhaupt etwas läuft.
Organisation und Abhängigkeit – was im Hintergrund läuft
Nebenbei gehe ich täglich arbeiten, kümmere mich um private Angelegenheiten – sowohl meine eigenen als auch die meiner Eltern. Ich organisiere Dienstpläne, koordiniere Urlaube, Vertretungen und Krankmeldungen. Und oft muss ich dabei zusätzlich Rücksicht nehmen auf Launen, Energielevel oder persönliche Krisen anderer.
Denn: Wenn sie gehen – bleibt niemand. Wenn jemand „keine Lust mehr“ hat, wird mein Leben ausgebremst. Ich kann nicht improvisieren. Ich kann mich nicht selbst versorgen. Ich kann auch nicht einfach Ersatz finden – schon gar nicht von heute auf morgen.
Ich bin nicht einfach „Chef“. Ich bin abhängig davon, dass Menschen ihren Job ernst nehmen.
Zwischen Vertrauen und Enttäuschung
Und jedes Mal läuft es gleich ab:
- Nähe aufbauen
- Vertrauen geben
- Verantwortung teilen
- Abwarten, ob ich mit der Assistentin oder dem Assistenten Glück oder Pech habe
- Und wenn ich Pech habe: Plötzlicher Rückzug. Kein Gespräch. Kündigung per Mail oder SMS.
Es fühlt sich oft an wie ein Beziehungsende.
Nur dass ich nicht einfach enttäuscht bin – ich muss sofort weiterfunktionieren, um mein Leben zu sichern. Denn mein Alltag pausiert nicht. Nicht für ein paar Tage. Nicht wegen einer Kündigung.
Was mich besonders enttäuscht: Manche beenden die Zusammenarbeit nur, weil ich in einer Gruppen-Nachricht sachlich Kritik äußere. Ohne Rückfrage. Ohne Gespräch. Ohne Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden. Dabei geht es nicht um Vorwürfe – es geht um Kommunikation.
Wir hätten das klären können – ruhig, ehrlich, respektvoll.
Doch stattdessen wird eine verantwortungsvolle Aufgabe einfach beendet. Und ich bin wieder derjenige, der alles auffangen muss – obwohl ich niemanden wie Personal behandle, sondern wie Menschen. Weil ich eigentlich jede Assistentin und jeden Assistenten wertschätze.
Mein Wunsch – und mein Blick nach vorn
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen wirklich verstehen: Assistenz ist keine Aushilfe. Kein Nebenjob. Assistenz ist die Grundlage für ein freies, aktives und selbstbestimmtes Leben.
Es geht nicht nur darum, mir bei etwas zu helfen – es geht darum, mein Leben überhaupt zu ermöglichen. Ohne Assistenz gibt es für mich keinen Alltag, keine Teilhabe, keine Bewegung in Richtung Zukunft.
Ich sage Danke – von Herzen – an alle, die ihre Arbeit mit Verlässlichkeit, Respekt und echtem Engagement machen. Ich bin zutiefst dankbar für jede Form von Assistenz, die getragen ist von Verantwortung, Klarheit und Mitgefühl.
Und ja – trotz aller Rückschläge, trotz aller Frustration, und trotz der Assistentinnen und Assistenten, die nicht verstehen, was Assistenz wirklich bedeutet und wie sehr ich auf ihre Verlässlichkeit angewiesen bin:
Ich glaube an mich. An meinen Kampfgeist. Und an die Menschen, die Assistenz ernst nehmen.
Ich glaube an faire Strukturen. An mehr Bewusstsein. An ein neues Miteinander – auf Augenhöhe, auch im Kontext von Assistenz.
Denn ich will nicht nur „überleben“. Ich will leben. Aktiv sein. Mitgestalten. azugehören.
Dafür kämpfe ich. Mit Ausdauer, mit Klarheit, mit Mut – und mit Hoffnung.
Und mit dem festen Glauben daran, dass Selbstbestimmung kein ständiger Kampf bleiben muss, sondern endlich zur Selbstverständlichkeit wird.